Die Spirale dreht sich

03.12.2021, Gina Menn
Die weltweiten Temperaturen steigen. Gleichzeitig nimmt die biologische Vielfalt ab. Beides ist eng miteinander verbunden und verstärkt sich gegenseitig. Deshalb müssen wir Massnahmen ergreifen, die zugleich das Klima schützen und die Biodiversität fördern. Und wir müssen unsere Lebensweise überdenken.

Wir heizen unser Einfamilienhaus, fliegen in die Ferien und kaufen im Dezember Erdbeeren. Dabei verbrauchen wir fossile Brennstoffe wie etwa Kohle, Erdgas oder Erdöl und produzieren Treibhausgase. Sie aber sind die Hauptursache für den globalen Temperaturanstieg von ungefähr 1 Grad Celsius, der in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat. Mittlerweile sind die Belastbarkeitsgrenzen unserer Erde erreicht und wenn der hohe Ausstoss dieser klimaschädlichen Gase weiter anhält, nehmen auch die Gefahren wie Hitzewellen oder Überschwemmungen weiter zu [1].

Kohlekraftwerke emittieren viel CO2 und heizen das Klima an.
Viele Arten sind vom Aussterben bedroht

Weltweit sterben viel mehr Arten aus, als natürlicherweise zu erwarten wäre. Ungefähr eine Million der geschätzten acht Millionen Arten wird in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht sein [1]. Ursache sind unter anderem unsere intensive Nutzung von Land und Meer, die Zunahme von nicht einheimischen Arten und eben die Klimaerhitzung. Der Verlust an biologischer Vielfalt wirkt sich negativ auf ganze Ökosysteme aus. Dadurch verliert die Natur ihr regulierendes Potential, wie zum Beispiel extreme Wetterereignisse abzudämpfen oder das Klima zu regulieren. Man denke hier nur mal an den Amazonas.

Der asiatische Marienkäfer verbreitet sich weltweit und verdrängt dabei die einheimischen Arten, auch in der Schweiz.
Ein Teufelskreis

Durch unseren Lebensstil treiben wir die Klimakrise und den Biodiversitätsverlust weiter an. Es entsteht eine Abwärtsspirale. Nehmen wir ein Beispiel: Entwässern wir ein Moor, verlieren hochspezialisierte Arten wie der Hochmoor-Perlmuttfalter ihren Lebensraum. Gleichzeitig werden Treibhausgase freigesetzt, weil im Moor sehr viel Kohlenstoff gespeichert ist. Dadurch verstärkt sich die Klimaerhitzung, was wiederum die Funktion der Moore weiter beeinträchtigt. Dreht sich diese Spirale immer weiter, kommt es irgendwann zu Veränderungen innerhalb des Ökosystems, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Der Hochmoor-Perlmuttfalter ist gefährdet, weil sein Lebensraum zerstört wird.
Beziehungen geraten durcheinander

Wie sich die Klimaerhitzung auf die Tier- und Pflanzenwelt auswirkt, lässt sich konkret feststellen. So verändern sich beispielsweise Räuber-Beute-Beziehungen: Der Siebenschläfer ernährt sich unter anderem von Jungvögeln. Beendet er seinen Winterschlaf aufgrund der wärmeren Temperaturen früher, wird er dadurch zur Gefahr für gewisse Singvogelarten wie die Kohlmeise oder den Kleiber [2]. Auch Pflanzen können ihre Vegetationsruhe früher beenden. Während viele von uns sich über einen frühen Frühlingsbeginn freuen, bringt das verfrühte Spriessen und Blühen im Ökosystem jedoch einiges durcheinander und die Lebensrhythmen von Pflanzen, Vögeln und Insekten stimmen nicht mehr überein. Blühen Pflanzen zu früh, werden sie nicht bestäubt, weil noch keine Insekten unterwegs sind. Und den Insekten fehlen später Pollen und Nektar und den Vögeln die Insekten zur Jungenaufzucht.

 

Der Siebenschläfer ernährt sich auch von Jungvögeln. Erwacht er früher aus dem Winterschlaf, trifft er auf wehrlose Küken.
Gewinner und Verlierer der Klimaerhitzung

Die Verbreitungsgebiete der Arten können sich ebenfalls durch die Klimaerhitzung verändern. Arten aus wärmeren Gebieten wandern nun in Gebiete ein, in denen es ihnen vorher zu kühl war, konkurrenzieren dadurch aber die ansässigen Arten. Oder Arten können mit den raschen Veränderungen nicht mithalten und werden von anpassungsfähigeren, meist häufig vorkommenden Arten verdrängt. Dies kann dazu führen, dass die Zusammensetzung der Arten der verschiedenen Lebensräume immer ähnlicher wird.

Auch gewisse Lebensraumtypen breiten sich als Folge von den wärmeren Temperaturen aus, während andere in ihrer Verbreitung zurückgehen. So wird sich beispielsweise die Baumgrenze bei einer globalen Temperaturzunahme von 2.2 Grad Celsius um rund 400 Höhenmeter nach oben verschieben und der Lebensraum oberhalb der Baumgrenze wird langfristig deutlich schrumpfen [1].

 

Die Waldgrenze steigt immer weiter an. Die oberhalb gelegenen Lebensräume werden dadurch immer kleiner.
Intakte Lebensräume sind CO2-Speicher

Wälder, Meere und Böden sind in der Lage, riesige Mengen an CO2 zu speichern und aus der Atmosphäre aufzunehmen. Doch die CO2-Aufnahmekapazität dieser Lebensräume ist begrenzt. Deshalb ist es immens wichtig, intakte Ökosysteme zu erhalten oder zerstörte wieder herzustellen. Wir sollten aufhören, Wälder abzuholen oder Böden im gegenwärtigen Ausmass zu versiegeln. Und wir sollten auch jede noch so kleine Grünfläche in Städten oder in landwirtschaftlich genutzten Gebieten erhalten und – ganz wichtig - vernetzen. Denn sie helfen, sowohl den Verlust der Artenvielfalt als auch die Klimaerhitzung zu vermindern [1].

Kleine Flächen sind im Siedlungsgebiet äusserst wertvoll: sie fördern die Biodiversität und kühlen das Stadtklima.
Synergien stärken

Aktuell ist die Zerstörung der Ökosysteme der Hauptgrund, warum wir Biodiversität verlieren. Doch bereits 2050 wird der Klimawandel voraussichtlich die Hauptursache dafür sein. Deshalb wirken Massnahmen gegen den Klimawandel auch dem Biodiversitätsverlust entgegen. Wir sollten also Schutzmassnahmen umsetzen, die sich möglichst positiv auf beide Krisen auswirken. So haben beispielsweise begrünte Flachdächer und Fassaden zum einen eine kühlende Wirkung auf die Stadt und zum anderen bieten sie Lebensraum für Pflanzen und Tiere: Insekten finden Nahrung und Vögel Nistgelegenheiten (siehe Blogbeitrag Grüne Dächer braucht das Land) [1].

Es braucht ein Umdenken

Doch allein indem wir geschädigte Ökosysteme wiederherstellen, lassen sich die Klimaerhitzung und der Biodiversitätsverlust nicht aufhalten, und ein Weitermachen wie bisher ist keine Option. Der Weltklimarat (IPCC) und der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind sich einig, dass es neben einer Vielzahl einzelner Massnahmen einen grundlegenden Wandel unseres Lebensstils braucht. Wir müssen die Grenzen unserer Erde respektieren.

Verwendete Literatur

[1] Ismail SA, Geschke J, Kohli M et al. (2021) Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam angehen. Swiss Academies Factsheet 16 (3).

[2] Klotz S., Settele J. (2017) Biodiversität. In: Brasseur G., Jacob D., Schuck-Zöller S. (eds) Klimawandel in Deutschland. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-50397-3_15

 

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